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Rekord-Rückgang der globalen CO2-Emissionen dank Corona

15.03.2021

Die neue Bilanz des Global Carbon Projects, an dem LMU-Wissenschaftlerinnen maßgeblich beteiligt sind, zeigt einen noch nie erreichten Rückgang der fossilen CO2-Emissionen. Die atmosphärische CO2-Konzentration steigt weiter an.

© imago images / Sven Simon

Die Corona-Pandemie hat zu einem deutlichen Rückgang der globalen Kohlendioxid-Emissionen geführt. Dies zeigt die jährliche Bilanz des Global Carbon Projects (GCP), eines weltweiten Zusammenschlusses von Klimaforschern, an dem die LMU-Geografin Julia Pongratz mit ihren Kolleginnen Selma Bultan und Kerstin Hartung maßgeblich beteiligt ist. Die Wissenschaftler analysieren, welche Mengen an Treibhausgasen jährlich freigesetzt beziehungsweise der Atmosphäre durch Aufnahme in Landvegetation und Ozeane entzogen werden.

Der neueste Bericht des GCP zeigt, dass es fünf Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen gelungen ist, die Zunahme der globalen CO2-Emissionen zu verlangsamen: In der Dekade von 2010-2019 gingen die fossilen CO2-Emissionen bereits in 24 Ländern mit wachsenden Volkswirtschaften deutlich zurück, was auch auf ein Greifen von Klimapolitik zurückzuführen sein könnte. Im Jahr 2020 sanken die weltweiten fossilen Emissionen auch aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie um den Rekordwert von 7 Prozent oder umgerechnet etwa 2,4 Milliarden Tonnen CO2 auf 34 Milliarden Tonnen CO2. Dieser Rückgang ist erheblich größer als frühere signifikante Rückgänge von 0,5 (1981 und 2009), 0,7 (1992) und 0,9 (1945) Milliarden Tonnen CO2. Um die Pariser Klimaziele nicht zu überschreiten, müssen zwischen 2020 und 2030 im Durchschnitt jährlich 1 – 2 Milliarden Tonnen CO2 eingespart werden.

Besonders deutlich war der Rückgang der Emissionen in den USA (-12%) und in den EU-Mitgliedsstaaten (-11%). „Hier trafen verringerte Emissionen aus der Kohlenutzung und die Auswirkungen der pandemiebedingten Beschränkungen zusammen“, erklärt Pongratz. „Schon 2019 stiegen die CO2-Emissionen langsamer als in den Vorjahren. Mit der Corona-Pandemie sanken die Emissionen nun deutlich, deshalb ist 2020 ein zentrales Jahr. Ob dies einen Trend einläutet, hängt allerdings stark davon ab, wie sich die Maßnahmen in den Covid-19-Stimuluspaketen weltweit ausgestalten. Wir beobachten bereits, dass die Emissionen sich langsam wieder dem Niveau von 2019 annähern.“

Transportsektor bringt die größten Einsparungen

Für den größten Teil des Rückgangs der Emissionen im Jahr 2020 war der Transportsektor verantwortlich. Auch im Dezember 2020 lagen die Emissionen aus dem Straßen- und Luftverkehr aufgrund der anhaltenden Beschränkungen immer noch um etwa 10% bzw. 40% unter den Werten von 2019. Ob der 2020 auch Corona-bedingte Rückgang der Emissionen sich in der Zukunft fortsetzen wird, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden, warnen die Forscher. Nach dem Rückgang der Emissionen aufgrund der globalen Finanzkrise 2008, stiegen die Emissionen im Jahr 2010 sprungartig um 5% an als sich die Wirtschaft erholte. Es besteht die Befürchtung, dass ein sprunghafter Anstieg der CO2-Emissionen auch 2021 passiert.

CO2-Emissionen insgesamt - aus fossilem CO2 und aus Landnutzung - liegen 2020 bei etwa 39 Milliarden Tonnen CO2, trotz des Rückgangs also immer noch auf einem Niveau wie etwa 2012. Dies ließ den CO2-Gehalt in der Atmosphäre weiter ansteigen. Im Jahresmittel wird er voraussichtlich einen neuen Rekordwert von 412 ppm (parts per million) erreichen. Das entspricht einer Zunahme von 48 Prozent gegenüber dem vorindustriellen Wert. Stabilisieren wird sich der atmosphärische CO2-Gehalt und damit das Weltklima erst, wenn die globalen CO2-Emissionen sehr nahe bei Null liegen, so die Forscher. Die Land- und Ozeansenken nehmen den Emissionen entsprechend kontinuierlich zu, und haben im Jahr 2020 etwa 54% der gesamten anthropogenen CO2-Emissionen aufgenommen.

Emissionen aus der Landnutzung bleiben unverändert

Julia Pongratz untersucht insbesondere, welchen Einfluss die Landnutzung durch den Menschen auf die globale Kohlenstoffbilanz – und damit auch das Klima – hat. Im Vergleich zu den ungewöhnlich hohen Emissionen durch Landnutzungsänderungen im Jahr 2019, die unter anderem durch außerordentlich trockene Bedingungen in Indonesien und die höchsten Entwaldungsraten im Amazonasgebiet seit 2008 verursacht waren, lagen die Werte 2020 niedriger und entsprachen dem Durchschnitt des letzten Jahrzehnts.

„Erstmals konnten wir für 2020 zudem auch Brutto-Werte für die Auswirkung von Landnutzungsänderungen auf das globale Kohlenstoffbudget abschätzen“, sagt die Geografin. Dabei fanden die Wissenschaftler, dass durch Landnutzungsänderungen – hauptsächlich durch Entwaldung – ungefähr 16 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt wurden. Dem gegenüber stehen knapp 11 Milliarden Tonnen, die hauptsächlich durch die Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzflächen wieder aufgenommen wurden. Netto waren die Emissionen aus Landnutzungsänderungen mit etwa 6 Milliarden Tonnen CO2 ähnlich hoch wie im vergangenen Jahrzehnt. „Wir sehen also in diesem Bereich noch keine Reduktion. Die Entwaldung schreitet vor allem in tropischen Regionen immer noch stark fort, und im Schatten von Covid sind die Emissionen aus der Landnutzung in der öffentlichen Wahrnehmung zurückgetreten“, stellt Pongratz fest. „Maßnahmen zum besseren Landmanagement könnten sowohl der Entwaldung Einhalt gebieten, als auch dazu beitragen, die CO2-Senke durch Nachwachsen natürlicher Vegetation zu vergrößern.“

Das Team von 86 Klimaforschern aus aller Welt veröffentlicht die CO2-Bilanz 2020 in der Fachzeitschrift Earth System Science Data. Das Global Carbon Budget 2020 ist die 15. Ausgabe der jährlichen Gutachten. Aus Deutschland sind neben Julia Pongratz, Selma Bultan und Kerstin Hartung auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts (Bremerhaven), des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (Hamburg), des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie (Jena), des Karlsruhe Institute of Technology, des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung (Kiel) und des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung (Warnemünde) beteiligt.

In ihrem Beitrag „Krisen am Umkehrpunkt? Corona und Klimaschutz“ auf dem CAS Blog des Centers for Advanced Studies der LMU schreibt LMU-Geografin Julia Pongratz in der Rubrik „Reset. Corona and its Aftermath“ ausführlich über die Auswirkungen der Coronakrise auf den Klimaschutz. Die Rubrik fragt aus der Sicht unterschiedlicher Disziplinen nach den Nachwirkungen der Pandemie. Bedeutet sie einen Umkehrpunkt in Wissenschaft und Gesellschaft? Was wird nach der Krise anders sein?

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